Zbigniew Lisiecki (zlisiecki)
Rübezahlweg 16, 53797 Lohmar, Germany
www: zbyszek.evot.org

Betr.: Bundestag Petition 1-13-06-10000-020522a

Entwurf: 1994
ausführlicher Text: 23.05.1997
geändert: 07.10.1997
abgelehnt von dem Ausschußdienst 1.7.1997
zum zweiten Mal eingereicht: 30.4.2002

D  a  s    R  e c h t    a u f    E r z i e h u n g

( I m m a t e r i e l l e s     E r b e )


(Entwurf für eine Änderung des Grundgesetzes)

0. allgemeine Darstellung

Eine der wichtigsten sozialen Struktur in Europa, die Familie unterliegt einem dramatischen Wandel. Die herkömmlichen Rollen und Bindungen zerfallen, Leerräume entstehen, die mit ganz neuen soziopsychologischen Formen gefüllt werden. Wachsende Anzahl der Singles, Kinder erzogen von nur einem Elternteil, neue Bindungsformen sind die deutlichsten Beispiele. Ein durch globale Zusammenhänge bedingter Prozeß ist im Gange, den wir vermutlich nicht voll verstehen, und der erst aus der geschichtlichen Perspektive überschaubar sein wird.

In der traditionellen Familienform wachsen die Kinder in Atmosphäre der Liebe beider Eltern. Das Erbe, das sie in Form von Emotionen, Lebenseinstellungen, Erfahrungen, etc. bekommen, ist uns nicht voll bewußt. Vieles wird unbewußt durch Nachahmung, oder nur Zuschauen übertragen. Der Anspruch auf dieses Erbe war fast immer selbstverständlich und brauchte nicht hinterfragt zu werden. Heute wird jedoch das Anrecht auf Erziehung durch veränderte Situation zunehmend implizit in Frage gestellt. Man muß ihn deshalb explizit aussprechen.

Entwurf für die Änderung des Artikels 6 des Grundgesetzes

Der Artikel 6 Pkt 5 des Grundgesetzes mit dem bisherigen Inhalt:

    Den unehelichen Kindern sind durch die Gesetzgebung die gleichen Bedingungen für ihre leiblich und seelische Entwicklung und ihre Stellung in der Gesellschaft zu schaffen wie den ehelichen Kindern.

soll durch den folgenden Satz (Erziehungsanspruch) ersetzt werden:

    Jedes Kind hat das gleiche Recht von beiden Eltern gemäß ihrer Kultur erzogen zu werden.

1. Einheit der Rechtsnormen

Die Weitergabe des durch eigene Erfahrungen angereicherten Erziehungsschatzes ist das Attribut des Menschseins. Die Grundrechte bilden eine zusammenhängende Einheit. Das Recht auf Erziehung und das Recht auf freie Persönlichkeitsentfaltung (Art.2 des Grundgesetzes) bedingen einander. Das Recht auf Erziehung ist jedoch nicht direkt und eindeutig aus dem bisherigen Grundgesetz ableitbar.

2. Eltern-Kind-Beziehung

Neue Form des Art.6 unterstreicht Rechte der Kinder und bildet ein Balance mit den Rechten der Eltern. Damit wird insbesondere die alte Denkweise entkräftet, nach der Kinder Eigentum der Eltern seien und die dazu führte, Kinderrechte als Besitzrechte der Eltern zu mißverstehen.

Der Anspruch von jedem Kind besteht darauf, was die Eltern von ihren Vorfahren durch Erziehung selbst bekommen haben plus ihr bestes Wissen und Erfahrung. Das kann je nach Person unterschiedlich sein. Das neue Grundrecht gleicht dem Erbanspruch im immateriellen ("gemäß ihrer Kultur") Bereich. Anrecht des Kindes auf wahrhaftige Erziehung erlischt durch Vorgeschichte, mißbräuchliche Haltung des Elternteils, oder sonstige Umstände, wie Scheidung nicht.

3. soziale Realität

Das neun Recht spiegelt die Bedürfnisse der sozialen Realität wider und kann nicht zu einer Ideologie mißbraucht werden ein bestimmtes Modell der Familie anderen Modellen vorzuziehen. Die Mutter- und Vaterrolle sind uns in der Tragweite und Einzigartigkeit nicht vollständig bekannt, schlecht vergleichbar, oder bleiben Gegenstand der Auseinandersetzung. Das neuen Recht auf Erziehung soll voneinander unabhängige Rechte auf Vater- und Mutterbeziehung garantieren.

Jedes Elternteil erzieht Kinder nach eigenen Vorstellungen. Dabei entstehende Spannungen sind für das Aufwachsen des Kindes nicht negativ. Erst solche Konflikte, die gegen andere Rechte verstoßen können sich nachteilig auswirken und müssen notfalls gerichtlich gelöst werden. Das gilt unabhängig vom Ehestatus der Eltern zueinader.

4. Nichtdiskriminierung

Mit dem neuen Art.6 werden Eltern-Kind-Beziehungen unabhängig von der Beziehung der Eltern zueinander formuliert. Die Unterscheidung der Kinder in Kategorien je nach Ehestatus der Eltern und ihre Belastung mit damit verbundenen Werturteilen, war immer sachlich unbegründet, rechtlich unzulässig und moralisch verwerflich. Sie ist in der heutigen Gesellschaft nicht mehr haltbar. Mit dem neuen Grundrecht fallen insbesondere Begriffe wie "uneheliches Kind" aus dem Rechtssystem ganz weg. "das gleiche Recht" bedeutet gleich unter allen Kindern.

5. bisherigen Rechtswidersprüche

Das Grundgesetz kommt mit dem neuen Art.6 den internationalen Verpflichtungen nach, die in der UN-Kinderkonvention, Pkt.2 über die Nichtdiskriminierung, sowie der Europäischen Menschenrechtskonvention, Protokoll Nr.7 Art.5 dem festgelegt sind. Gleichzeitig wird ein bekannter, vom Bundesverfassungsgericht mehrmals angemahnter Rechtswiderspruch im deutschem Recht beseitigt, das mit der Familienrechtsreform 9.1997 nur teilweise aufgelöst wurde. Das heutige Grundgesetz bleibt, was Kinderrechte anbetrifft auch nach der Familienreform vom 9.1997 spärlich und inkonsistent. Deshalb ist die Forderung nach GG-Änderung weiterhin gültig.

6. Verpflichtung zum Dialog

Der Dialog über den Anspruch auf das immaterielle Erbe, unter dem Aspekt geführt, was "gemäß ihrer Kultur" bedeutet, schafft eine Plattform auf der viele Spannungen sinnvoll angegangen werden können. Bei der Einführung des neuen Grundrechtes auf Erziehung könnte Deutschland international wegweisend wirken und eine Diskussion über die wenig bewußt wahrgenommenen jedoch gravierenden Änderungen der Familienstrukturen anregen.



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